Intermezzo 2 Monde ebenso Sonnen spielen keine große Rolle im Dasein eines Drachen, deshalb werden sie von diesen Wesen auch nicht gezählt. Selbst die Bäume würden kaum vom Leben und Sterben dieser mystischen Kreaturen erzählen können, weil nahezu unendlich erscheint ihre Zeit. Lanhein konnte sich von daher sogar an die längst vergangenen Tage erinnern, als die Welten noch eins waren. Die Magie war damals eine ganz normale Sache, sie gehörte einfach zum Leben eines jeden, beinahe in gleichem Maße wie Essen, Trinken und Atmen. Damals hatte die Magie natürlich auch einiges durcheinandergebracht, weil mit ihr schon immer auch viel Unsinn angestellt wurde. Aus diesem Grunde waren schon vor Ewigkeiten die Tore nach Umbrosia geschlossen worden. Nur noch selten verirrte sich seitdem jemand aus der Welt jenseits der Tore hinüber in das Schattenland. Der Falke den Lanhein ab und an am Himmel beobachten konnte, war gewiss solch ein Lebewesen aus der jenseitigen Welt. Zugleich war dies ein Zeichen dafür, dass die Tore nach Umbrosia nicht ganz verschlossen zu sein schienen. In der letzten Zeit hatte der Drache den kreisenden Falken ungewöhnlich oft über dem Moor beobachten können. Freilich war dies nicht das Einzige was dafür sprach, dass gerade irgendetwas Unheilvolles in der feuchten und modrigen Luft über dem Schattenland lag. Gleichermaßen erweckten die Umstände den Eindruck, dass die Trolle ernsthaft über Lanhein verärgert waren und dieser wusste nur allzu gut, wie es dazu gekommen war. Gestern früh am Morgen war es geschehen, als der Drache noch ziemlich verschlafen vor sich hin gedöst hatte. Auf einmal, wie aus heiterem Himmel, tauchte der Rabauke Thor vor ihm auf. Mit einem Schielen aus seinen Feuer speien verheißenden Augen konnte der Drache ungläubig dem Theater zuschauen, welches der kleine Wicht als nächstes aufführte. Thor breitete unvermutet seine beiden Arme aus und hielt dabei in den Händen mehrere lange Stängel von Pflanzen mit gelben und roten Blüten daran. Zwei Arme hatte der Bengel zuerst, doch dann wurden es mit einem Male vier Arme und schließlich sogar sechs. Jede der Unmenge von Händen an den viel zu vielen Armen versuchte Lanhein mit den Ruten zu drohen. Meist beschränkte sich dies darauf, dass dem Drachen die dünnen, biegsamen Holzstöcke vor den Nase herumgeschwenkt wurden, manchmal versuchte Thor aber auch ihn damit zu schlagen. Nun endlich wurde der Drache richtig wach und äußerst langsam begann dieser kaum merklich sich ein bisschen zu bewegen. Dies reichte allerdings schon aus, um den offenbar lediglich einen Troll zu verunsichern. Links und recht von Thors Kopf streckten plötzlich Odin und Freya ihren eigenen Köpfe hervor, da sie offensichtlich neugierig geworden waren. Ein Troll mit sechs Armen und drei Köpfen, man stelle sich selbst einmal vor, was für ein komisches Bild dies ergibt. Für Lanhein auf jeden Fall war dieser Anblick wirklich nicht mehr zum Aushalten. Ein Lachen erschütterte daraufhin den Körper des Drachen, sodass dieser sich auf den Rücken rollen musste und wie wild mit allen vier Beinen in den Lüften strampelte. Zuerst schauten die Verschwörer bloß ziemlich verdutzt. Wütend und verärgert schmissen sie sodann die mühsam zusammengesuchten Stauden der Moorgewächse vor sich auf den Boden. Tobend trollten die drei sich schließlich zurück auf ihre Eiche. Lange noch hallte das laute Schimpfen der Trolle über den weiten verlassenen Sumpf.