Epilog Zu Hause zurück aus Feuchtau sitzt Rangubald am Abend in der kleinen Hütte in Murrtal, um die Runenstäbe zu werfen. Aufs Neue konnte das Alte Volk mit Zuversicht in seine Zukunft blicken. Fürwahr, die Dinge sie hatten sich zum Schluss derart gefunden, wie es selbst der Runenmeister nicht erwartet hätte. Nicht minder war eine hochoffizielle Einladung der Anlass für seine vorausgegangene Reise nach Ubil gewesen. Unmittelbar nach dem Verschwinden und dem vermeintlichen Tod der beiden Königssöhne waren bereits jegliche Kriegshandlungen eingestellt worden. Der Herrscher aus Segmunda hatte sich jetzt mit dem König der Treber getroffen, denn es sollte Frieden zwischen den beiden Königreichen geschlossen werden. Zumindest wurde von den Boten dieser Grund genannt, als den Führern des Alten Volkes die Aufforderung überbracht wurde, sich in Feuchtau einzufinden. Damit den Friedensverhandlungen ordentlich Gewicht verliehen werden konnte, wurde gleichzeitig um ein zahlreiches Erscheinen der Stämme gebeten. Manch einer war zuerst der Meinung gewesen, die Könige würden lediglich einen Sündenbock für den unglücklichen Kriegsausgang suchen. Dennoch hatte ein jeder seine Vertreter zu dem Treffen geschickt, von den Stämmen des Alten Volkes sind hier allen voran die Sippen aus Ubil, Sagumbra und Usipata zu nennen. Erschienen waren gleichfalls die Abgeordneten aus Kerusci, Tenctera und Ephalu, ebenso wollten einige der kleineren Völker die Zusammenkunft nicht verpassen. Das Misstrauen, welches viele der Stammesführer im Vorhinein gegenüber der Einladung und der dafür angeführten Gründe geäußert hatten, erwies sich indes als durchaus berechtigt. Ähnlich einem Tribunal wurden ihnen in Feuchtau tatsächlich viele Frage gestellt, welche die Vorgänge während der kriegerischen Auseinandersetzungen betrafen. Die Vertreter der Stämme waren ausdrücklich dazu angehalten, alle ihre Berichte nach bestem Wissen und Gewissen abzuliefern. Keine noch so unwichtig erscheinende Kleinigkeit blieb auf diese Weise unerwähnt, falls sie nur im Entferntesten in Verbindung mit dem verhängnisvollen Unglück der Königssöhne gebracht werden konnte. Freilich dass man von Wasser meist nass wird, außer wenn es richtig heiß oder kalt ist, sowie dass vor allem die Fische zum Schwimmen geboren wurden, dies wussten die Könige mit ihrem Gefolge auch vorher schon. Daneben waren die Abgeordneten des Alten Volkes auf das Äußerste darauf bedacht, die Gerüchte von den Drachen nicht zur Sprache zu bringen. Derartige Aussagen würden die Herrscher sicher nicht ernst nehmen, höchstens für abergläubische Schwätzer würde man sie halten. Bei dieser Gelegenheit erfuhren die Anwesenden also so gut wie nichts Neues, das nicht bereits allgemein bekannt gewesen wäre. Allerdings konnten während der Befragung zumindest einige gesicherte und verlässliche Angaben über den Unglücksort gewonnen werden. Für jeden der sich in den Auen vor Feuchtau nicht auskannte, war das mit Weiden, Birken und Buchen bewachsene Gebiet lediglich eines von zahlreichen unauffälligen Waldstücken, welche sich die Ufer des großen Stromes entlangzogen. Den Namen Geistersee hatte die Senke im unübersichtlichen Mündungsdelta des Flusses jedoch von den Einheimischen nicht zu unrecht bekommen. Nach starken Regenfällen war von Jägern und Hirten des Öfteren berichtet worden, sie wären in der Gegend auf eine große, offene Wasserfläche gestoßen, die zuvor an dieser Stelle nicht vorhanden war. Keine Spur des ausgedehnten Teiches konnte hingegen entdeckt werden, wenn jemand dieses geheimnisumwobene Gewässer ein paar Tage danach suchen ging. Geradewegs wie man es sich von einem Gespenst erzählt, war der mysteriöse See mitunter aufzufinden oder eben auch nicht. Außerdem waren gelegentlich schon Wanderer in der selben Senke auf größere Mengen von Fischknochen gestoßen, was so fern des Flusses kaum zu erwarten war. Ein Biber oder möglicherweise ein streunender Bär habe in den Auen sein Revier und seinen Fressplatz, wurde dann gerne hierfür zur Erklärung angeführt. 'In ihrer Kindheit wäre der Fluss durch diese Gegend geflossen', meinten einige der ganz alten Bewohner von Feuchtau sich darüber hinaus erinnern zu können. 'Erst später nach einem früheren Hochwasser habe das Gewässer seinen Lauf verändert und würde deshalb heutzutage viel weiter südlicher in den Strom münden, als es zu jener Zeit der Fall gewesen sei.' Wesentlich schwerer fiel es hingegen das Kampfgeschehen am Tage des Unglückes nachzuvollziehen. Die Berichte der wenigen Überlebenden der Nachhut beider Truppen waren die einzigen halbwegs glaubhaften Angaben, welche hierzu vorlagen. Demnach waren die beiden Heere am Nachmittag im Gebiet des Geistersees in blutige Kämpfe verstrickt. Verbissen und unerbittlich schlugen die Soldaten aufeinander ein, wodurch die Kämpfe auf dem Schlachtfeld ständig hin und her wogten. Die Bogenschützen zeichneten sich in dieser Phase der Schlacht besonders aus, indem sie einen unaufhörlichen Pfeilhagel über die beiden Heere legten. Beinahe hilflos schienen die Kämpfer diesem Beschuss ausgeliefert zu sein, denn die Niederschläge waren zwischenzeitlich wesentlich heftiger geworden. In dem dichten Regen hatten die unglücklichen Krieger kaum mehr eine Chance, die gefürchteten Geschosse zu erkennen, bevor sie von diesen getroffen wurden. Bei Weitem stellte dies für die Truppen nicht die einzige Schwierigkeit dar, mit welcher sie sich auseinandersetzen mussten. Durch die außerordentlich intensiven Regenfälle war der lockere Waldboden innerhalb kürzester Zeit soweit aufgeweicht, dass die Kämpfer bis zu den Knöcheln im Schlamm versanken, mancher von ihnen steckte gar bis zu den Knien im Morast fest. Wenig später überflutete eine erste Flutwelle die Senke, worauf diese rasant mit dem Wasser des über die Ufer getretenen Flusses volllief. Auf dem Schlachtfeld breitete sich darauf ein unbeschreibliches Chaos aus, in welchem ebenfalls die Armeen zusehends versanken, während sie gleichzeitig noch immer in schwere Kämpfe verstrickt waren. Schlagartig hörte in der Folge zuallererst der Beschuss durch die Bogenschützen auf. Offensichtlich waren diese von dem rasch ansteigenden Wasser schlichtweg hinweggerafft worden. Die Lage der Truppen verbesserte dies indes wenig, nach und nach ertranken stattdessen immer mehr Soldaten in den unberechenbaren Fluten. Die Königssöhne auf ihren Pferden nahmen nichtsdestotrotz kaum Notiz davon. Der krankhafte Ehrgeizig an dem die beiden Anführer litten, ließ sie auch weiterhin einen hartnäckigen und aussichtslosen Zweikampf führen. Getrieben von Zorn und Missgunst, war ein grenzenloser gegenseitiger Hass zwischen ihnen entflammt und keiner der beiden wollte daher von dem Anderen ablassen. Zumindest die treuen Pferde hatten bis dahin ohne zu murren den beiden Streithähnen gehorcht, derweil drohten die Gäule inzwischen ebenso zu ertrinken. Mit ihrem eigenen Überlebenskampf beschäftigt, scheuten die Rösser nun und sie warfen ihre Reiter einfach ab. Gleichwohl konnte selbst dies die Sprösslinge der Herrscher nicht bremsen, ohne Unterlass schlugen sie wie von Sinnen aufeinander ein. Indessen ist dies gleichfalls das Letzte, das von den Königssöhnen berichtetet werden kann. In der starken Strömung und dem unaufhörlich anschwellenden Wasser gelang es nicht einmal mehr den Pferden, rechtzeitig das rettende Ufer zu erreichen. Trotz aller Bemühungen und Nachforschung konnte im Nachhinein nicht mehr über das Unglück in Erfahrung gebracht werden, als jenes was diesem knappen Bericht zu entnehmen ist. Hinzuzufügen ist vielleicht noch, dass gleichermaßen am Unterlauf des Gewässers die Flut wahrgenommen wurde. Wie unschwer zu vermuten ist, hat das Hochwasser sogar im weit entfernt liegenden Segmunda zu einzelnen Überschwemmungen geführt. In den Tagen nach der Katastrophe sind ferner vermehrt Leichen von Soldaten flussabwärts an den Ufern des großen Stromes angespült worden, welche eindeutig ertrunken waren. Unter den Toten waren ebenfalls einige Kämpfer zu finden, die ihr Leben durch das Schwert oder den Bogen verloren hatten. Die sterblichen Überreste der Königssöhne sind hingegen nie wieder aufgetaucht. Alle diese Begebenheiten untermauerten die vorliegenden Schilderungen über die Vorgänge am Unglückstag zusätzlich. Die Herrscher mussten sich schlussendlich mit der Erklärung zufrieden geben, der viele plötzliche Regen habe die Tragödie verschuldet. Aus diesem Grund waren die beiden sich genauso darin einig, auf eine persönliche Besichtigung des Unglücksortes verzichten zu wollen. 'Ein Feuer müsse auf jeder Seite des großen Stromes entzündet werden', ordneten die Könige anstelle dessen an. Für zwölf Vollmonde sollten die Flammen im Gedenken an das Unglück brennen, ohne in dieser Zeit irgendeinmal zu erlöschen. Unübersehbar würden die Feuer als Mahnmal dienen und dergestalt dazu beitragen, die Erinnerung an das Geschehene wachzuhalten. Der Schmerz über den Verlust des eigenen Sohnes war den alten Herschern deutlich anzumerken. Von Gram und Kummer gebeugt, stützten sie sich gegenseitig auf der abschließenden Feier des Treffens in Feuchtau. Gleich nachdem die Sonne untergegangen war, wurde die sich bietende Gelegenheit genutzt, um die Gedenkfeuer zu entzünden. Bevor die beiden Gefolgschaften am nächsten Morgen zur Rückreise aufbrachen, versprachen die Könige in engem Kontakt miteinander zu verbleiben. Für alle zukünftigen Tage sollte auf diese Weise ein ähnliche Katastrophe zwischen ihren Völkern verhindert werden. Unversehens schreckt der Runenmeister aus seinen verwinkelten Gedankengängen hoch. Ein heftiger Windstoß bläst das Tal herauf und Rangubald kann ein ungestümes Rauschen in den Bäumen vernehmen. Unten an der Linde hinter dem Haus sieht er, wie die Blätter ganz silbern glänzend in der Abendsonne flirren. Spät im Jahr ist es geworden und der Sommer war längst vergangen. Viel der Bäume von Murrtal zeigen bereits das prächtige Farbenspiel, welches so typisch für den Herbst ist. Binnen Kurzem würde es zum ersten Mal schneien, in den letzten Tagen hatte schon manch eine der kühlen Böen danach gerochen. Sicher der Schnee würde nicht liegen bleiben, entsprechend der Jahreszeit waren die Wetterwechsel dafür im Moment noch viel zu spontan. Den größten Teil der anfallenden Arbeiten hatte er das Jahr über erledigt bekommen, selbst wenn die meiste Zeit Brungard seine einzige Hilfe gewesen war. Vor dem bevorstehenden Winter wollte Rangubald unbedingt abermals auf den Markt nach Fentovia fahren. Gemäß seiner üblichen Gepflogenheiten würde er aus diesem Anlass bei der Wassermühle vorbeischauen. Eben erst hatte er Friedenreich in Feuchtau getroffen und ihn gleich über seine Pläne unterrichtet. 'Ihm sei vor wenigen Tagen ein Pferd zugelaufen, während er und Kunrada damit beschäftigt waren, den Hafer zu schroten', hatte ihm der Müller bei dem Treffen erzählt. 'Bei seinem Auftauchen habe das Ross zwar ziemlich heruntergekommen und vernachlässigt gewirkt, dennoch habe man dem Tier sofort seine edle Abstammung angesehen. Wie dem auch sei, der Gaul würde sich auf alle Fälle prima mit dem alten Grauen verstehen und er beabsichtige das Tier in Zukunft vor seinen Wagen zu spannen. Seine Geschäfte für die er viel unterwegs wäre, würde dies erleichtern. Ein Pferd welches brav den Karren zieht, sei allemal schneller, als sich mit einem störrischen Esel herumplagen zu müssen und es diesen erst zu überreden gilt.' Rangubald hatte ebenso Radewald auf der Versammlung in Feuchtau getroffen. Von dem sichtlich gealterten Zeremonienmeister hatte er erfahren, dass Teutebrand demnächst nach Murrtal heimkehren würde. An einem der folgenden Tage sollte der Sprössling an der Ibensul aufbrechen und gemeinsam mit den Schwestern sowie den Seherinnen würde er sich auf die Wanderung zurück nach Hause begeben. Die Mehrzahl der Teilnehmer hatte das Sommercamp in den letzten paar Wochen nach und nach verlassen und die fünf gehörten zu den Wenigen, welche im Augenblick noch dort anwesend sind. 'Mit der ungewohnten Situation sei sein Sohn die meiste Zeit ganz gut zurechtgekommen, obwohl dem Jungen die Jagd offenbar nicht viel Freude bereiten würde', hatte Radewald dem Runenmeister bei ihrem Gespräch in Ubil des Weiteren berichtet. 'Teutebrand wäre mehrere Wochen lang ganz alleine mit den beiden Töchtern von Friedenreich in den Wäldern unterwegs gewesen. Er selbst sei zu dieser Zeit wiederholt mit einigen der anderen Jugendlichen auf die Jagd gegangen und von daher könne er wenig über die Gründe hierfür berichten. Es wäre allemal besser, wenn der Junge Rangubald dies selber erzählen würde. Jedenfalls habe es viel Aufregung um ihre Rückkehr in das Lager an der Ibensul gegeben. Eines Tages wäre plötzlich ein Drache auf dem kleinen Fluss aufgetaucht und dieser hätte die drei am Ufer abgesetzt. Daraufhin habe das seltsame Wesen kehrtgemacht und anschließend sei es wieder den Wasserlauf hinaufgeschwommen. Währenddessen hätten Ferun, Ortrun und Teutebrand beieinandergestanden und sie hätten noch für einige Zeit dem riesigen Tier hinterhergewunken. Mehrere der Jugendlichen die an diesem Nachmittag im Lager zugegen waren, würden dies beschwören.' Gleichwohl erstaunten Radwalds Erzählungen den Runenmeister nicht allzu sehr. Von Drachen hatte Rangubald in den vergangenen, stürmischen Tagen bereits des Öfteren gehört. Neuerdings erschien es ihm, als kämen diese Fabelwesen ein weiteres Mal bei dem Alten Volk schwer in Mode. Jetzt aber genug der Grübeleien, denn er wollte schließlich die Runen befragen. Nach seinen kürzlich gemachten Erfahrungen mit den kleinen Holzstäben hatte er sich extra einen zweiten Satz von ihnen besorgt. 'Wenn der ersten Wurf durch einen weiteren Wurf bestätigt werden würde, dann könnte er sich in Zukunft vielleicht über die Bedeutung der Runen etwas sicherer sein', hatte der Runenmeister sich dabei überlegt. Entschlossen nimmt Rangubald nun die Runenstäbe in die Hand und wirft sie vor sich mit geschlossenen Augen hoch in die Luft. _ |_ |\ |_ |_ | \| _ _ |\ |_ |/ |_ Was diese seltsamen Zeichen zu bedeuten haben, dies weiß selbst er als Runenmeister nicht. Verblüfft ob dem Ergebniss seines Wurfes, schüttelt Rangubald ratlos den Kopf. Viel Zeit um sich über die Bedeutung der Zeichen klar zu werden, bleibt ihm indessen nicht, denn genau in diesem Moment klopft es von draußen kräftig gegen die Tür. Vor der kleinen Hütte steht Brungard, die gerade am Feuerholz holen ist. 'Wann er endlich Feierabend machen wolle?', fragt sie ihn. 'Das Abendessen stehe auf dem Tisch und er solle doch recht bald zu ihr hinunterkommen.' ** Persönliches Schlusswort: Triangel-um Teil 1, 'Dragon Dreams' und Triangel-um Teil 2, 'Die Nebel der Zeit', hierbei handelt es sich um einen weiteren schriftstellerischen Versuch des Autors von 'Joking Everywhere' und 'Battlefield Tempelhof' im Bereich der Fantasy-Erzählungen. Zum Teil ist dies gewiss richtig. Bei meinen Outdoor-Aktivitäten war ich vor einiger Zeit auf dem Hörnle in Richtung Schiller Museum unterwegs. In der Streuobstwiese, auf Höhe der Baumschule, habe ich mir ein Paar Äpfel von einem Baum gepflückt. Obwohl es eigentlich bereits zu spät für die Apfelernte war, hingen da noch mehrere Leinentaschen voll an den Bäumen. Plötzlich sehe ich über der Wiese einen Turmfalken stehen. Um genau zu sein, es war ein Merlin, der dort wohl auf eine Feldmaus oder einen Maulwurf lauerte. Einen kurzen Augenblick später taucht eine Elster auf, fliegt direkt über dem Falken hinweg. Bei dieser Gelegenheit konnte man sehr gut erkennen, dass ein Merlin ein ziemlich kleiner Raubvogel ist. Mit ihren langen Schwanzfedern ist eine Elster im Vergleich dazu fast das größere Tier. Woanders konnte ich ab und an ebenfalls schon einen in Freiheit lebenden Steinadler beobachten. Nun dies gehört allerdings zu einer völlig neuen Geschichte.